Streitschlichter

Podcast: Alles Wichtige zur Streitschlichtung in Schulen

Unsere Kollegin Vera Knapp und unser Sozialpädagoge Stefan Fragel bildet bei uns an der Hauptschule Wildeshausen Jugendliche als Streitschlichterinnen und Streitschlichter aus. In einem Podcast mit www.planet-beruf.de wurde Stefan Fragel genau zu dieser Ausbildung interviewt. Die Ausgabe zu diesem spannenden Podcast gibt es hier:

planet-beruf.de Sprecher/in 1: Berufswahl begleiten: Der Podcast von planet-beruf.de für Eltern und Erziehungsberechtigte

planet-beruf.de Sprecher/in 2: Alles Wichtige zur Streitschlichtung in Schulen – kurz erklärt

planet-beruf.de Sprecher/in 1: Eine Schule irgendwo in Deutschland. Der Pausengong ertönt, die Klasse strömt nach draußen. An der Tür kommt es zu Gedränge. Ein Schüler rempelt aus Versehen eine Mitschülerin an, eine Beleidigung fällt und ein böses Wort ergibt das andere. Schon ist ein Streit in vollem Gang.

Hat Ihre Tochter oder Ihr Sohn eine ähnliche Situation schon einmal erlebt?

An der Hauptschule Wildeshausen in Niedersachsen lösen die Schülerinnen und Schüler solche Konflikte unter sich. Dafür gibt es die Streitschlichter. Zusammen mit einer Kollegin bildet der Sozialpädagoge Stefan Fragel Jugendliche ab der 8. Klasse zu Streitschlichterinnen und Streitschlichtern aus. Derzeit sind das vier Schülerinnen und Schüler.

Stefan Fragel erzählt im Podcast, was die Streitschlichterinnen und Streitschlichter tun und welche Vorteile die Jugendlichen durch die Steitschlichter-Ausbildung haben.

Herr Fragel, ich habe gerade die Beispielsituation mit dem Pausengong vorgestellt. Wollen wir das einmal weiterverfolgen? Was passiert als nächstes zwischen der fiktiven Schülerin und dem Schüler?

Stefan Fragel: Sie wenden sich an die Streitschlichter und Streitschlichterinnen. Die haben gekennzeichnete Jacken an, wo ihre Funktion draufsteht, zusammen mit dem Schul-Logo, und vereinbaren mit ihnen einen Beratungstermin. In geschützter Atmosphäre ziehen sie sich zurück in einen Raum und dort kriegt jeder der Beteiligten die Gelegenheit, seine Position darzulegen. Unter Einhaltung von Gesprächsregeln, die der Mediator oder die Mediatorin vorher erklärt, wird systematisch der Sache auf den Grund gegangen, aus welcher Motivation heraus sich Wut entwickelt hat und wie es zu den Reaktionen kam. Gemeinsam mit den Streitschlichtenden werden dann Lösungsmöglichkeiten erarbeitet.

planet-beruf.de Sprecher/in 1: Warum machen manche Schülerinnen und Schüler die Streitschlichter-Ausbildung?

Stefan Fragel: Es hat auch die Seite, dass sie nicht nur sagen: Ich mach das jetzt, weil ich gerne meinen Mitschülerinnen und Mitschülern helfen möchte oder weil ich möglicherweise selber Erfahrung habe mit Stress, mit Streit, vielleicht sogar mit Gewalt. Sondern ein Teil der Streitschlichter-Ausbildung ist auch, dass die Leute ihre eigene Persönlichkeit nicht nur stärker kennenlernen, sondern sich selber für sich selber fortbilden und trainieren.

Eine Streitschlichter-Ausbildung kann natürlich auch ihnen irgendwann zugutekommen wenn sie sich für Berufe interessieren, in der Abschlussphase Bewerbungen schreiben. Sie bekommen das ja auch bescheinigt, dass sich zu so etwas haben ausbilden lassen und das kann ihnen schon zugutekommen. Gerade wenn sie sich für Berufe interessieren, die im sozialen Bereich angesiedelt sind.

planet-beruf.de Sprecher/in 1: Das wäre auch meine nächste Frage gewesen, nach den Kompetenzen, die die Schülerinnen und Schüler während dieser Streitschlichter-Ausbildung erwerben.

Stefan Fragel: Das sind Schüler und Schülerinnen, die natürlich die Neigung haben – und sie dort perfektionieren wollen – anderen zu helfen, aber die dort auch die Gelegenheit bekommen, Basiskompetenzen wie Zuhören und Geduld zu perfektionieren. Das kommt ihnen natürlich auch über schulische Grenzen hinaus zugute. Die Konfliktfähigkeit steigt, was ihnen natürlich auch in der Freizeit und auch nach der Schule, im Berufsleben, zugutekommt.

planet-beruf.de Sprecher/in 1: Haben Sie schon einmal Rückmeldung bekommen von Abgängern Ihrer Schule, dass ihnen das geholfen hat?

Stefan Fragel: Ja, von zwei Schülerinnen habe ich das tatsächlich, die ich nach ihrer Schulzeit hier wiedergetroffen habe. Sie haben gesagt, dass sie noch von dieser Ausbildung profitieren. Das fand ich schon sehr positiv.

planet-beruf.de Sprecher/in 1: Haben die zwei gesagt, wohin es sie beruflich verschlagen hat?

Stefan Fragel: Ja, eine war Krankenschwester und die andere Kindergärtnerin bzw. Erzieherin.

planet-beruf.de Sprecher/in 1: Vielen Dank, Herr Fragel.

Stefan Fragel: Gerne.

planet-beruf.de Sprecher/in 1: Vielleicht gibt es auch für Ihr Kind die Möglichkeit, die Streitschlichter-Ausbildung an der Schule zu machen. Noch mehr Infos, die Sie Ihrem Kind auf den beruflichen Weg mitgeben können, finden Sie auf planet-beruf.de » Berufswahlinfos für mein Kind. Auf planet-beruf.de finden Sie zum Beispiel auch Beiträge zum Thema Konfliktfähigkeit.

"Wenn sich zwei streiten, hilft der Dritte."

An unserer Schule haben wir in den letzten Schuljahren Mädchen und Jungen der 8. bis 10. Klassen zu Streitschlichtern ausgebildet. In einer speziellen Ausbildung lernen die Schülerinnen und Schüler, zwischen streitenden Mitschülern zu vermitteln und dabei unparteiisch und ruhig zu bleiben. Wenn sich die „Streithähne“ zu einem Schlichtungsgespräch entschließen, bleibt die Lehrkraft außen vor. In dem Schlichtungsgespräch ist absolute Vertraulichkeit und Verschwiegenheit gegeben.

Jede Partei trägt ihre Sicht der Dinge vor. Die Schlichter wiederholen, fassen zusammen, fragen nach, vermitteln, ergreifen aber niemals Partei oder fällen ein Urteil. Gemeinsam versuchen sie, mögliche Missverständnisse auszuräumen. Meistens finden beide Kontrahenten schließlich Lösungsmöglichkeiten, die, wenn alle zustimmen, in einem Vertrag festgehalten werden. Damit gibt es die Chance, wieder vernünftig miteinander umzugehen.

Konzept und Ziele der "Streitschlichtung durch Schüler"

Das Konzept der Streitschlichtung beruht auf den Prinzipien der Mediation. Die Mediation ist eine Form der außergerichtlichen Konfliktlösung, die in den sechziger Jahren in den USA entwickelt wurde, um private Konflikte oder die verschiedener Interessengruppen zu lösen. Dabei geht es um eine konstruktive Bearbeitung der Differenzen, damit die Streitenden in Zukunft besser miteinander umgehen können.

Bei der Streitschlichtung durch Schüler geht man davon aus, dass Konflikte Teil unseres Lebens sind und dass Schülerinnen und Schüler ihre Konflikte selbstständig lösen können. Die Stärken der Streitschlichter sind im Vergleich zu Erwachsenen, dass sie Sprache und Kultur ihrer Mitschüler besser verstehen, sich in die Probleme Gleichaltriger oder Jüngerer schneller einfühlen und von ihnen leichter akzeptiert werden können als Autoritätspersonen, die spontan mit Disziplinierung in Verbindung gebracht werden.

Ziele des Streitschlichterprogramms sind:

  • Schlichtung von Konflikten untereinander
  • Stärkung des Selbstvertrauens und des Selbstwertgefühls
  • Verbesserung der Schüler-Schüler- und der Schüler-Lehrer-Beziehungen
  • Steigerung der Schülerselbstverantwortung
  • Verbesserung der Streitkultur an der Schule
  • Gewaltprävention in der Schule

Das Konzept der Streitschlichtung sieht beim Prozess der Vermittlung vier Schritte vor:

1. Einleitung der Schlichtung

Ziele, Grundsätze und Regeln der Schlichtung werden erläutert.Ziele, Grundsätze und Regeln der Schlichtung werden erläutert.

2. Klärung des Sachverhalts

Die Kontrahenten schildern den Konflikt aus ihrer Sicht und bemühen sich, mit Hilfe des Schlichters die eigenen Anteile bei der Entstehung des Streites zu finden.

3. Lösungen

Die Kontrahenten überlegen Lösungsmöglichkeiten und berücksichtigen dabei zwei Aspekte: Was bin ich bereit zu tun? Was erwarte ich von dem anderen?

4. Vereinbarungen

Die gefundenen Lösungen werden schriftlich festgehalten und unterschrieben. Die Schlichter können auch einen Nachfragetermin ausmachen, um die Einhaltung des Abkommens zu überprüfen.

Der Streitschlichtung durch Schüler sind Grenzen gesetzt, wenn die Auseinandersetzungen sehr grob oder gewalttätig verlaufen. Dann ist nach wie vor das Eingreifen einer Lehrkraft erforderlich.

Ausbildung zu Streitschlichtern an unserer Schule

Das Konzept der Ausbildung orientiert sich an sieben Bausteinen, die flexibel, erfahrungs- und handlungsorientiert gestaltet werden:

  1. sich gegenseitig kennenlernen, Vertrauen untereinander aufbauen, Förderung des Selbstwertgefühls, Einführung in die Problematik der Streitschlichtung
  2. Einführung des Begriffs „Kommunikation“, verbale und nonverbale Kommunikation
  3. sich akzeptabel mitteilen, Ich-Botschaften formulieren
  4. Übungen zum aktiven Zuhören
  5. Rollenspiele zum schrittweisen Heranführen an das Schlichtungsgespräch
  6. Einüben des gesamten Schlichtungsgesprächs in Rollenspielen
  7. Organisation der Streitschlichtung an der Schule (Raum, Schlichtungszeiten, Pausenbesetzung usw.)